{"id":135947,"date":"2024-04-13T13:13:04","date_gmt":"2024-04-13T11:13:04","guid":{"rendered":"https:\/\/www.carpr.de\/?p=135947"},"modified":"2024-04-13T13:14:55","modified_gmt":"2024-04-13T11:14:55","slug":"gefaehrliche-ueberlastung-vor-allem-fuer-bremsen-warum-pedelec-tuning-verheerende-folgen-haben-kann","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.carpr.de\/135947\/gefaehrliche-ueberlastung-vor-allem-fuer-bremsen-warum-pedelec-tuning-verheerende-folgen-haben-kann\/","title":{"rendered":"Gef\u00e4hrliche \u00dcberlastung vor allem f\u00fcr Bremsen: Warum Pedelec-Tuning verheerende Folgen haben kann"},"content":{"rendered":"
Bremsscheiben ver\u00e4ndern ihre Eigenschaften durch \u00dcberhitzung
\nErst schleichende Verschlechterung, dann lebensgef\u00e4hrlicher Totalausfall
\nHaftungsrisiko ist – anders als im Originalzustand – nicht versichert<\/p>\n
Pedelecs sind auf dem Vormarsch<\/strong>. Im Jahr 2023 war zum ersten Mal mehr als jedes zweite in Deutschland verkaufte Fahrrad mit elektrischer Unterst\u00fctzung versehen. Dass diese nur bis 25 km\/h zur Verf\u00fcgung steht, scheint viele Besitzer zu st\u00f6ren – Tuning-Kits aus dem Internet versprechen h\u00f6here Geschwindigkeiten. Die DEKRA Sachverst\u00e4ndigen warnen eindringlich: Vor allem die Bremsanlagen sind dem oft nicht gewachsen. „Viele machen sich nicht klar, welche Risiken sie mit dem Tuning eingehen“, sagt David Freibott, Unfallanalytiker bei DEKRA und Experte f\u00fcr Pedelec-Manipulationen.<\/p>\n Ein Pedelec mit Tretunterst\u00fctzung<\/strong> bis 25 km\/h gilt trotz Motor rechtlich als Fahrrad und damit nicht als Kraftfahrzeug. Es braucht deshalb – anders als ein so genanntes S-Pedelec, das bis 45 km\/h unterst\u00fctzt – keine eigene Haftpflichtversicherung, um am Stra\u00dfenverkehr teilnehmen zu d\u00fcrfen.<\/p>\n Hier zeigt sich schon das erste Problem des Themas Tuning: Wer mit einem Fahrrad einen Unfall verursacht, ist normalerweise \u00fcber die eigene Privathaftpflichtversicherung<\/strong> abgesichert, was die Haftung gegen\u00fcber anderen angeht. „Fahrzeuge wie Mofas, Leichtkraftr\u00e4der oder eben S-Pedelecs sind hier aber explizit ausgenommen, denn f\u00fcr sie gilt die Versicherungspflicht – sie brauchen ein Versicherungskennzeichen“, erkl\u00e4rt der Experte. „Das bedeutet: Wenn mit einem getunten Pedelec etwas passiert, steht der Verursacher ohne Versicherung da und haftet f\u00fcr angerichtete Sch\u00e4den im Ernstfall allein.“<\/p>\n Der h\u00f6here Verschlei\u00df der Antriebseinheit, so k\u00f6nnte man argumentieren, geht au\u00dfer dem Besitzer selbst niemanden etwas an. Ebenso die Folgen, die man bei einer Kontrolle zu tragen hat, was das Fahren ohne F\u00fchrerschein oder die f\u00fcr S-Pedelecs g\u00fcltige niedrigere Promillegrenze angeht. Sp\u00e4testens, wenn die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gef\u00e4hrdet wird, zieht dieses Argument aber nicht mehr. „Es ist nicht ohne Grund so, dass f\u00fcr S-Pedelecs nicht mehr nur die Konformit\u00e4tserkl\u00e4rung des Herstellers f\u00fcr eine Zulassung im Stra\u00dfenverkehr ausreicht“, sagt David Freibott. „Notwendig ist hier eine unabh\u00e4ngige Pr\u00fcfung f\u00fcr eine Typgenehmigung oder eine Einzelbetriebserlaubnis. Einer der Pr\u00fcfpunkte dabei ist nicht umsonst die Bremsanlage.“<\/p>\n \u00dcberlastete Bremsanlagen verlieren ihre Wirkung<\/strong><\/p>\n Auffallend oft stellt der Sachverst\u00e4ndige bei manipulierten Pedelecs vollkommen \u00fcberlastete Bremsanlagen fest, vor allem an den Hinterr\u00e4dern. „Nat\u00fcrlich kann eine normale Pedelec-Scheibenbremse aus 40 km\/h an der Ampel abbremsen. Sie kann es auch mal bei 60 km\/h. Was sie aber nicht kann, ist dauerhaft aus solchen Geschwindigkeiten abzubremsen“, erkl\u00e4rt er. „Das ist reine Physik.“<\/p>\n Beim Bremsen wird die Geschwindigkeit abgebaut, indem kinetische Energie in W\u00e4rme umgewandelt wird. Dabei k\u00f6nnen schon vermeintlich kleine Ver\u00e4nderungen einen gro\u00dfen Unterschied ausmachen. Denn die Bewegungsenergie ver\u00e4ndert sich bei steigendem Tempo nicht linear, sondern die Geschwindigkeit flie\u00dft als Quadrat in die Gleichung ein. Das bedeutet in einer Beispielrechnung: Im Vergleich zu 25 km\/h muss beim Bremsen schon aus 36 km\/h die doppelte kinetische Energie in W\u00e4rme umgewandelt werden.<\/p>\n Wenn aber st\u00e4ndig W\u00e4rmeenergie ins System kommt, f\u00fcr die die Bremsanlage nicht ausgelegt ist, hat das konkrete Folgen: „Ein einmal \u00fcberhitztes Bremssystem ist nachhaltig gesch\u00e4digt. Zun\u00e4chst l\u00e4sst die Bremswirkung schleichend nach, was f\u00fcr den Fahrer nur schwer erkennbar ist. Bei weiterer Nutzung ohne Reparatur der Bremse ist jedoch schlimmstenfalls der – dann lebensgef\u00e4hrliche – Totalausfall zu erwarten“, so der Unfallsachverst\u00e4ndige.<\/p>\n Wissenschaftliches Projekt der DEKRA Unfallforschung<\/strong><\/p>\n Oftmals ver\u00e4ndern sich durch \u00dcberhitzung die Materialeigenschaften der Bremsscheiben. Was das bedeutet, zeigt ein aktuelles wissenschaftliches Projekt der DEKRA Unfallforschung<\/strong>. Dabei wurden unter anderem auf dem Pedelec-Pr\u00fcfstand der Expertenorganisation unterschiedliche Bremsversuche gefahren – mit ungetuntem bzw. getuntem Fahrzeug sowie mit neuen bzw. einmal thermisch \u00fcberlasteten Bremsscheiben an der Hinterradbremse. Jeweils zehn Normbremsungen hintereinander wurden pro Versuchsreihe durchgef\u00fchrt. Dabei wurde mit dem Pedelec im Originalzustand eine Geschwindigkeit von 25 km\/h gefahren, in der getunten Variante waren es 39 km\/h – die durchschnittliche Maximalgeschwindigkeit von mehr als 120 manipulierten Pedelecs, die David Freibott in analytischen Gutachten untersucht hatte.<\/p>\n „Unsere Laborversuche haben gezeigt, dass die Bremswirkung mit den \u00fcberhitzten Bremsscheiben zwar noch vorhanden, aber erkennbar schlechter und vor allem in der Bremskraft\u00fcbertragung auch ungleichm\u00e4\u00dfiger war“, bilanziert der Experte. Zudem zeigte sich bei den Versuchen mit dem getunten Pedelec, dass das System insgesamt deutlich h\u00f6here Temperaturen erreichte – angesichts der h\u00f6heren Geschwindigkeiten nicht \u00fcberraschend. „Das Ganze wird zum Teufelskreis: Die \u00fcberlasteten Scheiben k\u00f6nnen die W\u00e4rme nicht mehr so aufnehmen und vor allem nicht mehr so schnell an die Umgebung abgeben, wie sie sollen. Damit \u00fcberhitzt das gesamte System immer h\u00e4ufiger, und das hat eben fr\u00fcher oder sp\u00e4ter katastrophale Folgen.“<\/p>\n Die ver\u00e4nderten Materialeigenschaften der thermisch \u00fcberlasteten Bremsscheiben wurden auch durch eine metallurgische Analyse best\u00e4tigt. Diese Materialver\u00e4nderung k\u00f6nnte die Bildung von Rissen beg\u00fcnstigen.<\/p>\n Auch Rahmen und Anbauteile k\u00f6nnen \u00fcberlastet werden<\/strong><\/p>\n Doch nicht nur die Bremsanlage eines Pedelecs wird nach Tuning in der Regel zu stark beansprucht. Auch Rahmen und Anbauteile sind konstruktiv f\u00fcr bestimmte Belastungen ausgelegt. Beim manipulierten Pedelec wird die Maximalkraft vom Motor l\u00e4nger ausge\u00fcbt, der Rahmen st\u00e4rker belastet; h\u00f6here Geschwindigkeiten \u00fcber Bodenunebenheiten bedeuten mehr Vibration. „All das kann am Ende zu einem Erm\u00fcdungsbruch f\u00fchren, etwa am Rahmen im Bereich der Kettenstrebe, am Lenker oder an der Sattelst\u00fctze. Welche Folgen das w\u00e4hrend der Fahrt haben kann, braucht man nicht auszuf\u00fchren“, so der DEKRA Experte.<\/p>\n Wie h\u00e4ufig solche Manipulationen sind, ist schwer zu sagen. Eines der gro\u00dfen deutschsprachigen Online-Pedelec-Foren spricht nach einer Befragung der eigenen Nutzer von einem Anteil zwischen 10 und 15 Prozent. „Ob das hinkommt, ist kaum einzusch\u00e4tzen“, so Freibott. „Sicher ist die Nutzerschaft des Forums nicht unbedingt repr\u00e4sentativ f\u00fcr alle Besitzer von Pedelecs. Viele \u00e4ltere Menschen, die kaum im Online-Forum unterwegs sind, stehen vermutlich eher nicht im Verdacht, Tuner zu sein. Andererseits hatte ich auch schon einen Fall, in dem ein 82-J\u00e4hriger mit einem manipulierten Fahrzeug unterwegs war.“<\/p>\n Insgesamt nimmt das Tuning aber wohl an Bedeutung zu, berichtet David Freibott aus seiner t\u00e4glichen Arbeit. 2018 hatte er den allerersten Untersuchungsauftrag von der Polizei, in dem es um Pedelec-Manipulation ging; seitdem hat er sich intensiv in das Thema eingearbeitet. Im ersten Jahr hatte er insgesamt etwa zehn F\u00e4lle zu bearbeiten; heute sind es pro Jahr eher 50.<\/p>\n Gerade weil es bei Fahrr\u00e4dern keine regelm\u00e4\u00dfige verpflichtende Pr\u00fcfung der technischen Sicherheit gibt, appelliert der DEKRA Sachverst\u00e4ndige an alle Nutzerinnen und Nutzer, ihre Fahrzeuge nur so benutzen, wie es die Hersteller vorgesehen haben. „Alles andere wird allzu leicht zum Lotteriespiel mit der eigenen Sicherheit.“<\/p>\n Pressekontakt:<\/p>\n DEKRA e.V. Original-Content von: DEKRA SE, Bildrechte:DEKRA Fotograf:DEKRA SE<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Bremsscheiben ver\u00e4ndern ihre Eigenschaften durch \u00dcberhitzung Erst schleichende Verschlechterung, dann lebensgef\u00e4hrlicher Totalausfall Haftungsrisiko ist – anders als im Originalzustand – nicht versichert Pedelecs sind auf dem Vormarsch. 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