{"id":143099,"date":"2024-12-11T13:36:16","date_gmt":"2024-12-11T12:36:16","guid":{"rendered":"https:\/\/www.carpr.de\/?p=143099"},"modified":"2024-12-11T13:37:14","modified_gmt":"2024-12-11T12:37:14","slug":"kurswechsel-oder-abstieg-deutschlands-automobilindustrie-am-scheideweg","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.carpr.de\/143099\/kurswechsel-oder-abstieg-deutschlands-automobilindustrie-am-scheideweg\/","title":{"rendered":"Kurswechsel oder Abstieg? Deutschlands Automobilindustrie am Scheideweg"},"content":{"rendered":"

Ein Kommentar zu den Fehlern des VW-Konzerns von Dagmar Hebenstreit und Dr. J\u00f6rk Hebenstreit, Gr\u00fcnder und Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der AGILEUS Consulting<\/p>\n

Noch vor zehn Jahren konnten wir stolz auf unsere deutsche Wirtschaft sein; heute beobachten wir mit wachsender Sorge, wie unsere Bundesrepublik den Anschluss zu verlieren droht. Das einstige Wirtschaftswunder verblasst, w\u00e4hrend gleichzeitig immer deutlicher wird, dass Politikentscheider und Wirtschaftslenker an entscheidenden Wendepunkten falsch abgebogen sind. Allen voran die Automobilindustrie – das ehemalige Aush\u00e4ngeschild Deutschlands – ist zum Sinnbild f\u00fcr verpasste Chancen und strukturelle Schw\u00e4che geworden. Elektrophobie und Phantomdebatten um Technologieoffenheit treiben sie zunehmend ins Abseits.<\/p>\n

Besonders die Krise beim gr\u00f6\u00dften Automobilhersteller Deutschlands Volkswagen zeigt, wie fehlende Weitsicht und beh\u00e4bige Strukturen einen Konzern und mit ihm eine ganze Industrie ins Wanken bringen, die Millionen von Arbeitspl\u00e4tzen sichert und unsere Volkswirtschaft ma\u00dfgeblich pr\u00e4gt. Die Entwicklungen bei VW und in der deutschen Automobilindustrie offenbaren ein grundlegendes Vers\u00e4umnis: Es fehlt die Courage zu radikalen Reformen und einem klaren Plan, wie Wandel hin zu einer innovationsgetriebenen Wirtschaft k\u00fcnftig aussehen kann.<\/p>\n

Krisenmanagement mit Augen zu<\/p>\n

Der Dieselskandal 2015 h\u00e4tte Ausgangspunkt f\u00fcr einen knallharten Richtungswechsel bei VW sein k\u00f6nnen – doch es folgte eine Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen. Auf r\u00fcckl\u00e4ufige Zahlen reagierte die Konzernspitze mit einem Sparprogramm, allerdings ohne parallel dazu verkrustete Strukturen und Prozesse aufzubrechen. So gelang es dem Topmanagement zwar, kurzfristig die Bilanzen zu verbessern, langfristig stabile Gewinne blieben jedoch aus. Ein vorhersehbarer Verlauf: Zu langfristig h\u00f6herer Effizienz, Resilienz und Flexibilit\u00e4t gelangen Organisationen erst durch eine grundlegende Neustrukturierung.<\/p>\n

Drei F\u00fchrungswechsel innerhalb von neun Jahren brachten Unruhe ins Unternehmen, l\u00e4hmten interne Ver\u00e4nderungsprogramme und Entwicklungsprojekte und f\u00fchrten zu teils widerspr\u00fcchlichen Richtungs\u00e4nderungen. An den Erfolg der ewigen Cashcow, des VW Golf, schaffte es der Konzern nicht anzukn\u00fcpfen. Im Gegenteil: Es folgten Neuentwicklungen an den Bed\u00fcrfnissen der Verbraucher vorbei. Den immer gr\u00f6\u00dfer werdenden Kleinwagen-Markt bediente der Automobilhersteller nicht, sondern setzte lieber auf Entwicklung und Bau hochpreisiger Fahrzeuge und schrieb dazu noch Preise weit \u00fcber denen des internationalen Wettbewerbs aus.<\/p>\n

Und zu guter Letzt verpasste es Volkswagen auch, seine unternehmensinternen Ausbildungsprogramme zukunftsfest zu machen und in puncto IT- und Elektronikkompetenzen nachzur\u00fcsten. Das hat zur Folge, dass der VW-Gruppe auch in Zukunft Arbeitnehmende mit entsprechendem Know-how fehlen – trotz bisheriger hoher Ausbildungszahlen. Das Resultat: Internationale Wettbewerber wie Tesla oder BYD haben die VW-Gruppe schon heute l\u00e4ngst abgeh\u00e4ngt und die Marktf\u00fchrung \u00fcbernommen. Sie erf\u00fcllen nun die weltweite Nachfrage nach (teil-)elektrischen Fahrzeugen.<\/p>\n

Harte Einsparungen ohne Plan?<\/p>\n

Die angek\u00fcndigten Sparma\u00dfnahmen sind per se zwar nachvollziehbar, aber kommen dennoch ungew\u00f6hnlich brutal daher. Nach langj\u00e4hrigem „Sonnen im Glanz des Erfolgs“, inklusive Tarif-Plus-Vertr\u00e4gen, \u00dcbernahmegarantie f\u00fcr Auszubildende, Besch\u00e4ftigungsgarantie sowie kontinuierlicher Gehalts- und Bonussteigerungen, bedeutet der aktuelle Kurs ein peinvolles Aufschlagen auf dem harten Boden der neuen Wirtschaftsrealit\u00e4t. Arbeitnehmende m\u00fcssen deutliche Gehaltseinbu\u00dfen von bis zu 10 Prozent und perspektivisch Nullrunden hinnehmen, w\u00e4hrend Vorstandsgeh\u00e4lter lediglich marginalen K\u00fcrzungen unterliegen. Solche Ma\u00dfnahmen h\u00e4tten vermieden werden k\u00f6nnen; h\u00e4tte der VW-Konzern Besch\u00e4ftigungszahlen, Geh\u00e4lter und Nullrunden schon deutlich fr\u00fcher dem unternehmerischen Kurs angepasst und auf Innovationsprojekte sowie schlanke und effiziente Organisationsstrukturen gesetzt. Denn je st\u00e4rker Unternehmen wachsen und dabei ihre Strukturen nicht optimieren, desto unflexibler geraten sie und lassen sich auf Langstrecke nur noch schwer \u00fcberblicken und steuern. Keine Frage: Die jetzige Situation verlangt einen Rundumschlag – ob die aktuellen Schritte allerdings einem „Plan f\u00fcr danach“ folgen, bleibt Stand heute offen.<\/p>\n

Schon jetzt geht ein Beben durch die Bundesrepublik, da einige VW-Produktionsst\u00e4tten von Schlie\u00dfung bedroht sind. Nehmen wir Sachsen als Beispiel: Hier ist die VW-Gruppe einer der gr\u00f6\u00dften Arbeitgeber der Region. Br\u00e4chen durch Werksschlie\u00dfungen einkommensstabile Einwohner weg und landeten tausende Menschen pl\u00f6tzlich auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Sicherungsnetz, w\u00fcrde das das Aus f\u00fcr diesen Wirtschaftsraum bedeuten.Wirtschaftsforscher rechnen in den kommenden Jahren mit einem Dominoeffekt im Bereich der industriellen Hersteller und Zulieferer, infolge dessen 200.000 Arbeitspl\u00e4tze dem Spiel stehen k\u00f6nnten.<\/p>\n

Produktentwicklung, Lieferketten, Leadership<\/p>\n

Die Herausforderungen f\u00fcr VW sind immens, aber keineswegs un\u00fcberwindbar. Um die Zeitenwende einzul\u00e4uten, bedarf es eines klaren, langfristig angelegten Plans. Dieser sollte folgende Punkte umfassen:<\/p>\n

In neue Modelle investieren: Bisher ber\u00fccksichtigte der Konzern Markt- und Kundenbed\u00fcrfnisse lediglich unzureichend im Produktportfoliomanagement. Produktentscheidungen beruhten h\u00e4ufig auf internen Annahmen und Bauchgef\u00fchl. K\u00fcnftig muss der Automobilhersteller verst\u00e4rkt auf Befragungen repr\u00e4sentativer K\u00e4ufergruppen sowie handfeste Markt- und Verbraucherstudien setzen. Denn das Selbstverst\u00e4ndnis, die Kundenbed\u00fcrfnisse besser zu kennen als die Kunden selbst, f\u00fchrt unweigerlich zu Problemen.
\nDem steigenden Kostendruck entgegentreten: China und andere asiatische Wettbewerber mit deutlich geringerer Kostenstruktur erstarken seit Jahren. VW tut gut daran, diesen Umstand bereits bei der Produktentwicklung zu beachten. Wie soll das Produktdesign aussehen? Inwieweit kann der Konzern vorhandene Bauteile wiederverwenden und auf Modularisierung setzen? Wo findet die Fertigung statt? Welche Spezifizierungen braucht es wirklich?
\nAntworten auf bestehende Lieferketten- und Zuliefererprobleme finden: Ein Ansatz kann hier sein, nicht mehr nur auf singul\u00e4re Zulieferer zu setzen. So verteilt VW das Risiko im Falle von Lieferschwierigkeiten. Im Rahmen eines agilen Projektmanagements erkennt das Management solche Herausforderungen in Zukunft schneller und kreiert ein gr\u00f6\u00dferes Zeitfenster f\u00fcr L\u00f6sungsfindungen.
\nRuhe ins Unternehmen bringen und Resilienz aufbauen: Perspektivisch m\u00fcssen st\u00e4ndige F\u00fchrungswechsel vermieden und Mitarbeitende st\u00e4rker am unternehmerischen Kurs beteiligt werden. Moderne Leadership-Methoden bef\u00e4higen Arbeitnehmende und Teams, im Rahmen ihrer Kompetenzen mehr Eigenverantwortung zu \u00fcbernehmen. Das entlastet die Management-Riegen und gibt ihnen die Chance, sich strategischen Themen zuzuwenden und Antworten auf dr\u00e4ngende Herausforderungen zu finden.<\/p>\n

Selbst ist der Konzern!<\/p>\n

Es ist f\u00fcnf vor zw\u00f6lf – aber das Ruder kann noch herumgerissen werden, wenn VW jetzt auf tiefgreifende und konsequente Ver\u00e4nderungsprogramme baut. Dazu geh\u00f6ren eine kritische Analyse der Organisationsstrukturen und gezielte K\u00fcrzungen, vor allem in den F\u00fchrungsetagen und der Verwaltung, anstatt wie bisher Stellen im wertsch\u00f6pfenden Bereich abzubauen. Das schm\u00e4lert den Overhead und entlastet die Kostenstruktur. Volkswagen darf nicht auf politischen R\u00fcckhalt hoffen, sondern muss den Karren selber aus dem Dreck ziehen. Die Innovationsst\u00e4rke und Schubkraft der deutschen Automobilbauer ist noch nicht endg\u00fcltig verloren, aber braucht einen dringenden Ansto\u00df, um angesagte Handlungsfelder kunden- und effizienzorientiert anzugehen.<\/p>\n

Die derzeit geplanten Ma\u00dfnahmen lassen allerdings eine gewisse Ideenlosigkeit erkennen. Es bleibt zu hoffen, dass VW nicht an alten Wegen festh\u00e4lt und damit die Krise weiter versch\u00e4rft. Stattdessen sollte das Auto aus der Software- und IT-Perspektive neu gedacht werden – Tesla hat in der Vergangenheit vorgemacht, wie Innovation, Lernf\u00e4higkeit und Kostenreduktion Hand in Hand gehen k\u00f6nnen. Diese Geschwindigkeit und Flexibilit\u00e4t m\u00fcssen deutsche Automobilkonzerne als Benchmark verstehen, um international wieder konkurrenzf\u00e4hig zu werden. Gelingt dies nicht, droht nicht nur VW, sondern der gesamten deutschen Automobilbranche ein schmerzhafter Abstieg. Die Zukunft geh\u00f6rt denen, die bereit sind, sie aktiv zu gestalten – es bleibt zu hoffen, dass VW diese Herausforderung annimmt.<\/p>\n

Pressekontakt:<\/p>\n

Rebecca Hollmann & Julia Alpert
\nBorgmeier Public Relations
\nRothenbaumchaussee 5
\n20148 Hamburg
\nTel.: 040\/4130 96 -23 & -28
\nMail: hollmann@borgmeier.de & alpert@borgmeier.de<\/p>\n

Original-Content von: AGILEUS Consulting GmbH & Co. KG, Bildrechte: AGILEUS Consulting GmbH & Co. KG<\/span>
\nFotograf: Tobias Stepper<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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